Quellen-TK-Überwachung und Strafprozessordnung
Der Zollfahndungsdienst wird auf der Grundlage eines richterlichen Beschlusses in Kürze mit einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung beginnen
Überwachung der Telekommunikation im Internet im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Durchsuchungen
(05.05.08) - Die Bundesregierung prüft derzeit die Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu Online-Untersuchungen vom 27. Februar 2008 im Hinblick auf die so genannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Das geht aus der Antwort (16/8689) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (16/8570) hervor. Eine abschließende Aussage, ob eine Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung verankert werde, sei daher noch nicht möglich.
Vorbemerkung der Fragesteller
In seiner Entscheidung zur Zulässigkeit von Onlinedurchsuchungen vom 27. Februar 2008 hat das Bundesverfassungsgericht zur Überwachung der Telekommunikation im Internet ausgeführt:
"Wird ein komplexes informationstechnisches System zum Zweck der Telekommunikationsüberwachung technisch infiltriert ("Quellen-Telekommunikationsüberwachung"), so ist mit der Infiltration die entscheidende Hürde genommen, um das System insgesamt auszuspähen. Die dadurch bedingte Gefährdung geht weit über die hinaus, die mit einer bloßen Überwachung der laufenden Telekommunikation verbunden ist. Insbesondere können auch die auf dem Personalcomputer abgelegten Daten zur Kenntnis genommen werden, die keinen Bezug zu einer telekommunikativen Nutzung des Systems aufweisen. Erfasst werden können beispielsweise das Verhalten bei der Bedienung eines Personalcomputers für eigene Zwecke, die Abrufhäufigkeit bestimmter Dienste, insbesondere auch der Inhalt angelegter Dateien oder – soweit das infiltrierte informationstechnische System auch Geräte im Haushalt steuert – das Verhalten in der eigenen Wohnung.
Nach Auskunft der in der mündlichen Verhandlung angehörten sachkundigen Auskunftspersonen kann es im Übrigen dazu kommen, dass im Anschluss an die Infiltration Daten ohne Bezug zur laufenden Telekommunikation erhoben werden, auch wenn dies nicht beabsichtigt ist. In der Folge besteht für den Betroffenen – anders als in der Regel bei der herkömmlichen netzbasierten Telekommunikationsüberwachung – stets das Risiko, dass über die Inhalte und Umstände der Telekommunikation hinaus weitere persönlichkeitsrelevante Informationen erhoben werden. Den dadurch bewirkten spezifischen Gefährdungen der Persönlichkeit kann durch Artikel 10 Abs. 1 GG nicht oder nicht hinreichend begegnet werden.
Artikel 10 Abs. 1 GG ist hingegen der alleinige grundrechtliche Maßstab für die Beurteilung einer Ermächtigung zu einer "Quellen-Telekommunikationsüberwachung", wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt. Dies muss durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt sein."
1. Plant die Bundesregierung, wie von der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, mit Pressemitteilung vom 27. Februar 2008 angekündigt, die Verankerung einer Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung?
Die Bundesregierung prüft derzeit die Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Regelungen des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen (1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07 vom 27. Februar 2008) auch im Hinblick auf den Zugriff auf ein informationstechnisches System, soweit dieser allein der Telekommunikationsüberwachung dient (sog. Quellen-Telekommunikationsüberwachung). Eine abschließende Aussage hierzu ist daher noch nicht möglich.
2. Plant die Bundesregierung darüber hinaus die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in weiteren Gesetzen, wenn ja, in welchen?
3. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung für jeweils welche Sicherheitsbehörden die Befugnis, Quellen-Telekommunikationsüberwachungen durchzuführen, für erforderlich?
4. Wie will die Bundesregierung einerseits rechtlich und andererseits technisch sicherstellen, dass sich die Quellen-Telekommunikationsüberwachung ausschließlich auf Daten eines laufenden Telekommunikationsvorgangs beschränkt?
Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.
5. Will die Bundesregierung für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung weiterhin die bereits heute für diese Maßnahme z. B. vom Zollfahndungsdienst verwendete Software verwenden, die nach Auskunft der Bundesregierung in ihrem Bericht an den Innenausschuss des Deutschen Bundestags vom 25. Oktober 2007 dieselbe Software ist, die auch zur Onlinedurchsuchung verwendet wird und zum Zwecke der Quellen-Telekommunikationsüberwachung nur um einen Telekommunikationsfilter o. Ä. erweitert wird?
Die im Zollfahndungsdienst verwendete Software zur Durchführung einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung kann für Onlinedurchsuchungen nicht eingesetzt werden. Der Zollfahndungsdienst verwendet nicht die im Bericht des Bundesministeriums des Innern an den Innenausschuss des Deutschen Bundestages vom 25. Oktober 2007 namentlich erwähnte "Remote Forensic Software" (RFS).
6. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung es für möglich, die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts könnten mit der für Quellen-Telekommunikationsüberwachungen verwendeten Software erfüllt werden?
Unter Hinweis auf das in der Antwort zu Frage 1 erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat das Zollkriminalamt die Zollfahndungsämter angewiesen, die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung unter Bezugnahme auf die Funktionsweise der im Zollfahndungsdienst verwendeten Software eingehend mit der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft zu erörtern, bevor diese einen gerichtlichen Beschluss auf Anordnung der Telekommunikationsüberwachung beantragt. Letztlich obliegt es der Zuständigkeit der Landesjustizbehörden, im Einzelfall über die Rechtmäßigkeit einer strafprozessualen Quellen-Telekommunikationsüberwachung zu entscheiden.
7. Will die Bundesregierung im Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) das Instrument der Quellen-Telekommunikationsüberwachung verankern und warum hält sie dies für mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für vereinbar, nachdem sie in ihrem Bericht an den Innenausschuss des Deutschen Bundestags vom 25. Oktober 2007 erklärte, dass die vom BKA entwickelte Remote-Forensic-Software ausschließlich zur Onlinedurchsuchung geeignet sei?
8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die Quellen-Telekommunikationsüberwachung so zu verstehen ist, dass eine eindeutige und dezidierte Rechtsgrundlage für dieses Instrument erforderlich ist und zugleich die technischen Voraussetzung gegeben sein müssen, damit sichergestellt ist, dass die Maßnahme ausschließlich auf laufende Telekommunikationsvorgänge zugreift?
Falls nein, warum nicht?
Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.
9. Quellen-Telekommunikationsüberwachungen welcher Behörden finden derzeit noch statt?
Der Zollfahndungsdienst wird auf der Grundlage eines richterlichen Beschlusses in Kürze mit einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung beginnen. Der auf Antrag der zuständigen Staatsanwaltschaft ergangene richterliche Beschluss gestattet für den Fall, dass die Kommunikation in verschlüsselter Weise übertragen wird, die Überwachung und Aufzeichnung von Telekommunikation in unverschlüsselter Form und lässt die Übertragung einer Überwachungssoftware auf das Endgerät des Beschuldigten und die Nutzung dieser Software auch im Wege einer Fernsteuerung zu, sofern eine über den Überwachungszweck hinausgehende Onlinedurchsuchung ausgeschlossen ist.
Um den Erfolg der Ermittlungen und die Sicherheit von Personen nicht zu gefährden, können auf Weisung der zuständigen Staatsanwaltschaft keine weiteren Angaben zu dem Verfahren gemacht werden.
Das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei führen derzeit keine Quellen-Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durch.
Über Art und Umfang von Maßnahmen der Nachrichtendienste wird nur in den dafür zuständigen parlamentarischen Gremien berichtet.
10. Wurden die laufenden Quellen-Telekommunikationsüberwachungen, die im Bereich des Zollfahndungsdienstes durchgeführt wurden oder werden, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage der Abgeordneten Gisela Piltz vom 27. September 2007 (Frage 14, Bundestagsdrucksache 16/6572) dargestellt hat, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingestellt?
Falls nein, warum nicht?
Die in der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 9/160 der Abgeordneten Gisela Piltz vom 27. September 2007 erwähnten Quellen-Telekommunikationsüberwachungen waren im Zeitpunkt der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Onlinedurchsuchung eingestellt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen.
(Deutsche Bundesregierung: ra)
Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten: Mehr siehe: Bericht jetzt als Unterrichtung (ca. 300 Seiten)
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