Service-Center für Telekommunikationsüberwachung


Beantwortung der FDP-Anfrage zum Thema "Aufbau neuer Strukturen des Bundes zur Telekommunikationsüberwachung"
Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten: "Das SC-TKÜ wird die Daten für die jeweiligen Sicherheitsbehörden jeweils organisatorisch und technisch getrennt voneinander verarbeiten"


(26.08.08) - Nach Abschluss des Ausbaus des neuen Service-Centers Telekommunikationsüberwachung (SC-TKÜ) werden dort 33 Mitarbeiter tätig sein. Dies geht aus der Antwort (16/10137) der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage (16/10050) der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hervor. Die Beschäftigten würden direkt dem Bundesverwaltungsamt zugeordnet.

Auf die Frage 6: "Welche Möglichkeiten – aber (im Hinblick auf das Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten) auch welche Grenzen – sind für die 'räumlich und organisatorisch enge Zusammenarbeit' der Wissensträger aus dem Bundeskriminalamt, der Bundespolizei und dem Bundesamt für Verfassungsschutz in der Diskussion bzw. vorgesehen?"

"Das SC-TKÜ wird die Daten für die jeweiligen Sicherheitsbehörden jeweils organisatorisch und technisch getrennt voneinander verarbeiten. Für das CC-TKÜ ist der Austausch von technischem und organisatorischem 'Know-how' vorgesehen. Es wird dabei weder eine neue Behörde errichtet, noch werden Befugnisse gemeinsam wahrgenommen oder Aufgaben der jeweiligen Sicherheitsbehörden miteinander verschmolzen."


Vorbemerkung der Fragesteller
38 Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder unterhalten – ausweislich eines Berichts des Bundesministeriums des Innern (BMI) an den Innenausschuss des Deutschen Bundestages vom 11. März 2008 – in Deutschland fast 80 Anlagen zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) – eine unübersichtliche Situation. Hinzu kommt, dass "die Abhörtechnik einiger Länder nicht miteinander kompatibel ist" (Süddeutsche Zeitung, 17. April 2008). Das BMI möchte diese "zersplitterte TKÜ-Landschaft harmonisieren".

Im Kern geht es dem BMI darum, dass – zunächst für einige Sicherheitsbehörden des Bundes (namentlich dem Bundeskriminalamt, der Bundespolizei sowie dem Bundesamt für Verfassungsschutz) – der eigentliche technische Vorgang der TKÜ beim Bundesverwaltungsamt (BVA) konzentriert wird. Die Auswertung der überwachten Kommunikationsvorgänge sollte jedoch auch weiterhin – wie bisher auch – bei den die jeweilige Überwachung veranlassenden Behörden des Bundes (später ggf. auch denen der Länder) erfolgen. Hierfür will das BMI eine Organisationsstruktur schaffen, die es den für die TKÜ zuständigen "Wissensträgern" dieser Bundesbehörden künftig ermöglicht, "räumlich und organisatorisch eng zusammenzuarbeiten".

Um dies zu erreichen, will das BMI "als ersten Schritt" zunächst zweierlei erreichen:
1. Zum einen soll ein Kompetenzzentrum-TKÜ (CC-TKÜ) gegründet werden. Hier sollen die Konzeptions-, Planungs- und Forschungsaktivitäten zur TKÜ gebündelt werden.
2. Zweitens soll ein Servicezentrum-TKÜ (SC-TKÜ) aufgebaut werden. Dieses soll – als "reiner IT-Dienstleister" – für die teilnehmenden Behörden die für die TKÜ benötigte informationstechnologische Infrastruktur aufbauen und betreiben. Die eigentliche TKÜ würden die jeweiligen Behörden beim BVA jedoch in eigener Verantwortung durchführen.

Die Arbeit des geplanten SC-TKÜ würde – so das BMI – das Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten nicht beeinträchtigen, da technisch sichergestellt würde, dass die "Ausleitung von Telekommunikationsinhalten und Verkehrsdaten nur an den jeweiligen Bedarfsträger erfolgt, aufgrund dessen Antrag es zu einer Erhebung der Daten kam."

Rechtlich hält das BMI die Errichtung von CC- und SC-TKÜ für eine "interne Organisationsmaßnahme des BMI im Rahmen seiner exekutiven Verantwortung". Gesetzliche Maßnahmen seien aus Sicht des BMI (bis auf eine ggf. notwendige Präzisierung der sog. Technischen Richtlinie TKÜ) daher "nicht erforderlich".

Für die Umsetzung dieser Pläne des BMI wurde am 1. Februar 2008 beim BKA ein Aufbaustab eingesetzt, der am 1. April 2008 seine Arbeit aufgenommen hat. Dieser Stab besteht aus Vertreterinnen und Vertretern der beteiligten Sicherheitsbehörden, des BVA sowie externer Beraterinnen und Berater. Aufgabe dieses Stabes ist es, die Konzepte für das CC- und das SC-TKÜ zu verfeinern und erste Aufbauschritte einzuleiten.

Es existiert hierfür folgender Zeitplan:
>> 1. Quartal 2008: Erstellung der haushaltsbegründenden Unterlage für das SC-TKÜ
>> 3. Quartal 2008: Konkretisierung und Erweiterung des Fachkonzepts des CC-TKÜ; Feinkonzeption des SC-TKÜ (sowie erste Schritte zu dessen Aufbau); Entwicklung einer Aufbau- und Ablauforganisation für das CC und das SC-TKÜ
>> Mitte 2009: Abschluss des Aufbaus von CC- und SC-TKÜ.

Im Hinblick auf die perspektivischen Ausbaupläne dieser neuen Abhörstruktur des Bundes heißt es wörtlich in einer von dem Leiter der Arbeitsgruppe 13 der Abteilung des BMI für "Öffentliche Sicherheit" unterzeichneten Vorlage (bestehend aus: Sachdarstellung/Stellungnahme/Sprechzettel) vom 5. März 2008 (für das Kamingespräch der Innenministerkonferenz (IMK) am 17. April 2008 in Bad Saarow): "[Es] bestehen Überlegungen [dass das] SC- und CCTKÜ den Nukleus einer neuen Behörde bilden würden. Damit eine solche Behörde auch mit den immer stärkeren Internationalisierung der Telekommunikation umzugehen vermag, wird auch über neue Wege zur Verknüpfung der Methode der inländischen TKÜ mit der internationalen TKÜ (BND-Fernmeldeaufklärung) nachzudenken sein. Vorbilder einer solchen Behörde könnten die amerikanische National Security Agency (NSA) oder das britische Government Communication Headquarter (GCHQ) sein. Aufgrund der politischen Sensibilität einer neuen deutschen ‚Überwachungsbehörde‘ erscheint ein schrittweises Vorgehen zur Umsetzung unter enger Einbindung der Länder angezeigt (…) [A]ls angemessenen Reaktion auf die zukünftige Vielfalt der TK-Dienste könnte durchaus eine neue Bund/Länderbehörde erforderlich sein."

Dessen ungeachtet hat das BMI – auch auf konkrete Nachfrage von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hin – in der Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 28. Mai 2008 kategorisch bestritten, dass innerhalb des BMI entsprechende Überlegungen zum weiteren Ausbau angestellt worden sind.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, zeigte sich in der "taz" vom 21. Dezember 2007 besorgt über diese Pläne des BMI. Es bestehe die Gefahr, "dass diese Daten letztendlich doch zusammenlaufen könnten". Selbst wenn unterschiedliche Zugriffsbegrenzungen festgelegt würden, wäre allenfalls eine Software-Änderung nötig, um die Daten zu verknüpfen: "Viele Erfahrungen belegen, dass, wenn solche Möglichkeiten gegeben sind und sich eine entsprechende Änderung der politischen Großwetterlage ergibt, dass dann diese Informationen zusammengeführt würden." Die bisher getrennten technischen Systeme seien sinnvoll. Denn das verfassungskräftige Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten erfordere auch, dass technische Strukturen nicht gemeinsam genutzt werden. "Angesichts der Sensibilität von Daten, die bei der TKÜ anfallen, sollte eine möglichst konsequente Trennung – auch hinsichtlich ihrer technischen Plattform – beibehalten werden", so Schaar.

Vorbemerkung der Bundesregierung
Durch verbreitete Nutzung des Internets und den bereits begonnenen Aufbau des Next Generation Networks werden die TKÜ-Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden zukünftig immer stärker beschränkt. Parallel ist festzustellen, dass das Internet verstärkt als Kommunikations- und Ausbildungsplattform des internationalen Terrorismus genutzt wird. Die technischen und personellen Überwachungskompetenzen können bereits heute nur eingeschränkt mit der fortschreitenden TK-Technik Schritt halten.

Da Kriminelle diese Technik geschickt für eigene Zwecke nutzen, müssen die Sicherheitsbehörden ihrerseits die benötigten Kompetenzen auf- und ausbauen, um auch in der virtuellen Welt des Internets eine effiziente Strafverfolgung zu gewährleisten. Dazu ist es u. a. erforderlich, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um die zersplitterte TKÜ-Landschaft der Sicherheitsbehörden zu harmonisieren und zu bündeln. BMI beabsichtigt daher, für Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundespolizei und Bundeskriminalamt gemeinsame TKÜ-Technik in einem Servicezentrum-TKÜ (SC-TKÜ) aufzubauen. Als Vorteile dieser Lösung werden geringere Kosten, flexiblere und schneller Anpassung an veränderte Technik und höhere und flexiblere Kapazitätsreserven erwartet.

Parallel sollen Experten im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Kompetenzzentrum-TKÜ (CC-TKÜ) zusammenarbeiten, um dem technologischen Wandel besser begegnen zu können, die Zusammenarbeit mit der TK-Industrie zu optimieren sowie gezielt die Bedarfsträger zu beraten

Weitere Details entnehmen sie bitte der Antwort (16/10137) der Bundesregierung
(Deutsche Bundesregierung: ra)

Artverwandte Themen

Zum Thema "Massenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten per Eilentscheidung teilweise gestoppt" lesen Sie auch:
Vorratsdatenspeicherung bleibt zulässig
Eilantrag gegen Vorratsdatenspeicherung
Abkehr von ausufernder Präventionspolitik

Lesen Sie mehr zum Thema Vorratsdatenspeicherung:
DAFTA: Vorratsspeicherung und der Online-Zugriff
Vorratsdatenspeicherung nicht verfassungskonform
Verschlüsselung und Vorratsdatenspeicherung
Vorratsdatenspeicherung und Bundesrat
Demonstration gegen Vorratsdatenspeicherung
Einführung der Vorratsdatenspeicherung
Verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung

Lesen Sie auch zumThema Telekommunikationsüberwachung:
Überwachung der Telekommunikation
Quellen-Telekommunikationsüberwachung
Handy als tragbare "Wanze"
Schäubles Visionen Gegenstand im Innenausschuss
USA spioniert Mailverkehr aus

Lesen Sie auch:
Online-Durchsuchung - Das Urteil im Wortlaut: siehe http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20080227_1bvr037007.html

Mehr zum Online-Durchsuchungsurteil aus Karlsruhe:
Online-Razzia: Behörden säen Klima der Angst
Justizministerin Merk riskiert Verfassungsbruch
Heimliche Online-Durchsuchungen durchführbar?
BVerfG kippt NRW-Gesetz zur Online-Durchsuchung
BVerfG-Urteil: Hohe Hürde für Online-Durchsuchung
Online-Durchsuchung in engen Grenzen möglich
Schäuble schürt bewusst ein Klima der Angst

Lesen Sie auch:
Bundeskriminalamt soll "online" durchsuchen dürfen
Online-Durchsuchung stark umstritten

Online-Durchsuchung: Mit dem Keylogger zum Ziel
LHG-BW-Veranstaltung: Online-Durchsuchung
Online-Durchsuchung ist erfolgreiches Hacking
Schutz sensibler persönlicher Daten
Datenschutz und Online-Durchsuchungen
Online-Durchsuchungen im BKA-Gesetz
Anti-Terror contra Datenschutz
Bundestrojaner schadet Made in Germany
Verdeckte Online-Durchsuchung rechtswidrig


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • E-Rechnung: E-Mail-Postfach reicht aus

    Für den Empfang einer E-Rechnung reicht künftig die Bereitstellung eines E-Mail-Postfachs aus. Das erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/12742) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/12563). Allerdings können die beteiligten Unternehmen auch andere elektronische Übermittlungswege vereinbaren.

  • Flächenkreislaufwirtschaft angestrebt

    Die Nutzung neuer Flächen für Bau- und Verkehrsprojekte soll weiter reduziert und bis 2050 auf "Netto-Null" reduziert werden. Dieses Ziel wird in dem von der Bundesregierung als Unterrichtung (20/12650) vorgelegten Transformationsbericht zum Bereich Nachhaltiges Bauen und Verkehrswende formuliert.

  • Förderung für Reparaturinitiativen statt Reparatur

    Die Bundesregierung will laut einer Antwort (20/12723) auf eine Kleine Anfrage der Gruppe Die Linke (20/12495) Reparaturinitiativen mit insgesamt drei Millionen Euro fördern. Die Einführung eines Reparaturbonus auf Elektrogeräte lehnt sie mit Verweis auf die Haushaltslage ab.

  • Vor möglichen Lieferengpässen gewarnt

    Eine Bedrohung der Arzneimittelversorgung ist nach Angaben der Bundesregierung durch das novellierte chinesische Anti-Spionage-Gesetz derzeit nicht zu befürchten. Es gebe einen engen Austausch mit den Ländern, um mögliche Bedenken und Risiken bei künftigen Inspektionsreisen zu minimieren, heißt es in der Antwort (20/12695) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/12482) der Unionsfraktion.

  • Bericht zur Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt

    Die Bundesregierung hat den "Bericht über die für die Europäische Kommission zu erstellenden Berichte über die durch die Strukturfonds geleisteten Beiträge zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt" als Unterrichtung (20/12550) vorgelegt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen