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Anhörung des Innenausschusses zum BKA-Gesetz


BKA-Gesetz sei "verfassungskonform ausgestaltet" - Aber: Schutz von Vertrauensbeziehungen der Presse zu ihren Informanten nur auf niedrigem Niveau
Komplizierte Datenschutz-Maßnahmen würden noch keinen wirkungsvollen Datenschutz gewährleisten
- BKA-Chef Jörg Zierke: "BKA wird nicht zu einem deutschen FBI"

(16.09.08) - Das geplante BKA-Gesetz mit der Möglichkeit von Online-Untersuchungen zur Abwehr terroristischer Gefahren entspricht nach Ansicht von Verfassungs- und Staatsrechtlern der Verfassung. Dies wurde am Montag in einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestages zum Entwurf eines "Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt" (kurz: BKA-Gesetz) (16/9588) deutlich. So ist der bayerische Verfassungsrechtler Dirk Heckmann der Auffassung, dass die Eingriffsbefugnisse zur Online-Durchsuchung, Telekommunikationsüberwachung und zum Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen "verfassungskonform ausgestaltet" seien. "Der Entwurf berücksichtigt die Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die geforderten hohen Eingriffsschwellen wurden gesetzt", so Heckmann.

Der Bielefelder Rechtswissenschaftler Christoph Gusy stellte fest: "Der vorgelegte Entwurf enthält keine grundsätzliche Verschiebung des Koordinatensystems von Freiheit und Sicherheit zu Lasten der Freiheit." Der Entwurf gehe in den meisten Eingriffsermächtigungen nicht über dasjenige Maß hinaus, welches für vergleichbare Fragen im Landesrecht und in anderen Bundesgesetzen schon jetzt zulässig wäre. "Umgekehrt lässt sich aber ebenso wenig feststellen, dass der Entwurf Sicherheitsbelange in ungerechtfertigter Weise hinter der Freiheit zurücktreten ließe", so der Sachverständige. Kritik übt Gusy allerdings am Schutz einzelner Berufsgruppen vor staatlicher Ausspähung. So bestehe der Schutz von Vertrauensbeziehungen der Presse zu ihren Informanten nur auf niedrigem Niveau.

Auch Markus Möstl vom Lehrstuhl für öffentliches Recht der Universität Bayreuth hält die Regelungen für die Online-Durchsuchungen für "einwandfrei". Die Formulierungen würden sich eng an die Wortwahl des Bundesverfassungsgerichts anlehnen. Der Bochumer Rechtswissenschaftler Ralf Poscher hält die im Gesetzentwurf vorgesehenen Modelle des Kernbereichsschutzes für mit der Verfassung vereinbar. Für den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, unterstreichen die Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Festnahme von drei mutmaßlichen Mitgliedern des Islamischen Jihad Union Anfang September die Notwendigkeit von Online-Durchsuchungen.

Es sei trotz des enormen technischen und personellen Aufwands der Sicherheitsbehörden sowie einer Vielzahl von polizeilichen Maßnahmen nicht gelungen, alle Tatverdächtigen zu identifizieren, obwohl man davon ausgehen müsse, dass sich die Tatverdächtigen der modernen Kommunikationsmittel bedient hätten und "wir auf den PCs der Täter weitere Hinweise hätten finden können". Ziercke ist daher sicher: "Die Online-Durchsuchung ist ein für die Verhinderung terroristischer Anschläge unverzichtbares Instrument."

Dagegen kritisiert der Berliner Staatsrechtler Martin Kutscha "problematische Parallelzuständigkeiten" von Bundes- und Landesebene. Das Bundeskriminalamt sei bisher nur eine Art Zentralstelle mit unterstützender Funktion für die anderen Polizeibehörden gewesen. Jetzt werde das BKA "durch die Zuweisung zahlreicher neuer Eingriffsbefugnisse zu einer Art deutschem FBI umgewandelt, das in Konkurrenz zu den Polizeien der Länder weit im Vorfeld von Rechtsgutverletzungen agieren kann".

Der Gesetzentwurf enthalte nicht nur terrorismusbezogene Eingriffsvoraussetzungen, sondern darüber hinaus auch allgemeine Gefahrenbegriffe als Eingriffsvoraussetzung. Mit solchen an allgemeine Gefahren anknüpfenden Eingriffsvoraussetzungen überschreite der Gesetzentwurf "die nur auf Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus begrenzte Gesetzgebungskompetenz des Bundes". Der Gesetzentwurf sei "insoweit verfassungswidrig", so Kutscha.

Hansjörg Geiger (Universität Frankfurt) glaubt, dass die Doppelzuständigkeiten die Effektivität der Maßnahmen gefährden könnten, "ganz abgesehen davon, dass Betroffene möglicherweise doppelt und damit gegebenenfalls unverhältnismäßig von gegen sie gerichteten Maßnahmen erfasst werden können".

Der Göttinger Staatsrechtler Christoph Möllers hält einige Regelungen im Hinblick auf das so genannte Seelsorgegeheimnis für problematisch. Kritische Stellungnahmen gaben auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Humanistische Union ab.

Befugnisse durch BKA-Gesetz werden auch genutzt
Das geplante BKA-Gesetz wird nach Ansicht von Experten eine erhebliche Verschiebung der Polizeiarbeit zur Folge haben. Der Bielefelder Rechtswissenschaftler Christoph Gusy stellte am Montag in einer Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages fest, die Bundesländer könnten ihre Befugnisse zur Terrorabwehr zum Teil nicht ausfüllen. Es fehle oft an technischen Möglichkeiten oder der Wille sei nicht da. "Das wird auf Bundesebene nicht der Fall sein", sagte Gusy in der Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt. Von den neuen Befugnissen des Gesetzes, das unter anderem die so genannte Online-Durchsuchung und Telekommunikations-Überwachungsmöglichkeiten vorsieht, "wird in großem Umfang Gebrauch gemacht werden", gab sich der Experte überzeugt. Zahlreiche Normen in dem Entwurf seien sehr detailfreundlich. Daher sei das Gesetz in zahlreichen Bereichen schwer anwendbar. Komplizierte Datenschutz-Maßnahmen würden noch keinen wirkungsvollen Datenschutz gewährleisten, so Gusy.

Der Passauer Verfassungsrechtler Dirk Heckmann sagte, er könne dem Gesetzentwurf "weitgehende Verfassungskonformität bescheinigen". Dies gelte auch für den Bereich der Online-Durchsuchungen. Kritisch wandte der Sachverständige ein, dass Ärzte und Journalisten keinen hundertprozentigen Schutz vor Ausspähversuchen genießen würden. Ärzten werde jedoch "nicht weniger Persönliches anvertraut als Pfarrern", so Heckmann.

Im Gegensatz zu anderen Gutachtern kritisierte der Berliner Staatsrechtler Martin Kutscha, er habe bisher kein Argument für die unabdingbare Notwendigkeit der Online-Durchsuchung gehört. Es werde zwangläufig zu nicht zulässigen Eingriffen in den privaten Kernbereich kommen. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Computer völlig Unbeteiligter ausgeforscht werden", sagte Kutscha. Der Wissenschaftler verlangte, der Schutz des Kernbereichs des Privatlebens müsse in einer zentralen Bestimmung geregelt werden und nicht wie im Entwurf zu jeder einzelnen Maßnahme.

Christoph Möllers (Universität Göttingen) bemängelte, der Entwurf sei von dem Grundsatz geprägt "Wir geben allen Behörden, die wir haben, alle Kompetenzen, die wir kennen". Möllers sagte, er vermisse ein Organisationskonzept.

Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, kritisierte, der Gesetzgeber gehe immer weiter in den Bereich der "nachrichtendienstlichen Mittel" hinein.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, sprach sich eindringlich für den Gesetzentwurf aus. Das Bundeskriminalamt werde nur in vier bis fünf Ausnahmefällen pro Jahr tätig werden. Ziercke wies Kritik zurück: "Das BKA wird nicht zu einem deutschen FBI und nicht zu einer mächtigen Geheimdienstzentrale." (Deutscher Bundestag: ra)

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